Archiv der Kategorie: Ausgabe 03/2011

Sonne, verdeckt

Ich warte auf eine Stimme, die mir sagt, du wirst verschont, du darfst dich verpuppen. Möchtest du einen Saugnapf? Kleb’ dich an einen Felsen, häng’ dir das Haar vor’s Gesicht, back’ Plätzchen. Möchtest du eine Katze?
Ja.
Da.
Von Außen wird die nicht kommen.
Warum ist es nur so vertrackt, bei sich zu bleiben.
„Dieses Projekt braucht Menschen, die nicht kompromittiert sind“, sagt der Professor. „Menschen wie Sie.“
Ich horche der Stimme nach, sie ist gültig. Aber nicht meine. Ich lasse das Haar ins Gesicht fallen.
„Liebe deinen Nächsten, wie du dich selbst gerne lieben würdest, wenn du könntest“, sage ich.
Der Professor lacht.
„Zwischendurch dann wieder Tage, die sind so ohne Vorbehalt, da könnte ich locker eine neue Weltreligion gründen“, sage ich.
„Hm?“
„Meiner Liebe wegen. Ich denke, die wird nie versiegen.“
„Also sind Sie dabei?“
„Nehmen Sie auch Kranke?“
„Die sind nicht verlässlich.“
„Ich bin absolut verlässlich!“
„Dann sind Sie auch nicht krank.“
„Ich habe zu tun, ich warte auf einen Felsen“, sage ich.
„Gehen Sie jetzt bitte.“

Wie ich müde bin. Vorbereitung zu einer Oper. Aus dem Arbeitsjournal des Sonntags, dem 9. Oktober 2011.

Ich habe mich entfernt, bin in das Land geschritten, worin die Krähen Himmel säen. Ben öffnete die Wolken, und ich fiel, ihm an der Hand. Sein Gesicht war entzweit, und meines lag ihm auf der Schulter. Nicht weit von uns fingen die Krähen in ihren Schnäbeln Nasen. Mir wuchsen die Ohren von zwei vorsintflutlichen Tieren, die niemals einen Namen hatten. Sie waren die Segel, deren Leinen Ben gestrafft hielt, so daß wir scharfe Fahrt aufnahmen, aber dem Wind war zu trauen. Pilze sprossen aus den Samen der Krähen. Das ging unfaßbar plötzlich. Wir wichen ihnen immer wieder aus, indem Ben rechts oder links an der Leitleine zog, auf daß ich den Kopf wenden mußte. So surften wir über die Kämme, es kostete gar keine Kraft. Ich war das Medium seiner Sehnsucht und weich wie eine Schwalbe, bevor sie die Krähe verschlang. Das Blut, in einzelnen, wunderbar konturierten Tropfen, betupfte den Himmel bis zum Horizont, aus dem das Kleid der Schöpfung wurde, in dem wir beide hinabrauschten. Aber ach Ben! Weshalb ließest Du mich landen? Weshalb denn meine Brüste an die Kufen deines kleinen Flugzeugs legen, da du zum Wasser rittst? Momentlang spürte ich Furcht. Doch mein Schoß, in dem dein Wille steckte, hob meinen Leib überm Bauch an, und wir glitten leicht in die Dünung. So zerfiel ich unter dir. Schmal, Ben, schmal! Aber so weit auch und frei. Wie ich mich dehnte, war ich das Wasser selbst, damit du in ihm schwammst. Dafür bin ich gemacht. Ich war deine Luft, war dir Essenz wie aller, die mich atmen. Ihr seid mir die Form, die mich schützt, wenn ich ins Innre tauche. Gib mir noch einen Schluck. Bitte! Dann werd ich dir Mantel und Heim. Nutz mich, doch gib mir, ich weiß von den Sternen. Mein Blut ist ein nährendes Netz. Denn ich bin die Flüsse der Erde. Ich bin das Meer, und sieh, wie es leckt, die Pfütze von diesem Tisch leckt. Aber halte die Leine, damit ich nicht stürze. Da ich so tanze zu deinem Leib.
Und dann laßt mich schlafen, Freunde, leise. Wie ich müde bin.