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Inhalt 04/2016

Die Lesezeichen-Ausgabe 04/2016 erschien am 16. Januar 2017.

In dieser Ausgabe:

Gekenterte Boote und Glockenjungen, der Unterschied von Regen­- und Schnee­schir­men, Millenniumspatzen und Kettensägen, Lärchenschwämme und Minnesänger, Pferde in Wiesenträumen, Gabriela Mistral, Pablo Neruda und Antonio Skármeta, großformatige Ritter-Bilder und ein Baugerüst in Paris, Schweighöfer, Houellebecq, Bourdieu und Raoul Schrott, schlanke, androgyne, junge Männer und Frauen in Slim Jeans und T-Shirts mit sonderbaren Aufdrucken, zerbröselte Illusionen, Divertimenti … uvm.

INHALT:

Altjahrsabend

/

Kabel und Soldaten laufen über und durch, ah trapptrapp, gut gelaunt

am Strand von Anno Du, indes Madame das Futur mit ihrem Absatz einklopft:

„Du wirst das Spiel nicht ändern, wenn du das Spiel ändern willst.“

/

Am Stand von Madame Fu klopfen Spieler die launigen Nichtspieler ab

nach Kabalen, die jüngst zu Hunderten aufflogen. Du rappelst:

„Hey, nimm deine Daten aus meinem Bodensatz!“

/

„Du wirst gelebt worden sein“: Schon zieht Madame diesen Satz

aus ihrem Dutt. Für dich! Ein Nichtspieler überreicht dir

den Millenniumspatzen. Plus zwei Nusshälften für ein schlachtenfrohes Futur.

 

Neues aus der Nahtodtube

Vorsicht, das ist eine Kettensäge! Und das ist ein Golem.
Nehmen Sie ruhig noch eines der großen Themen!
Seien Sie nicht so bescheiden, Ihr Nachbar könnte …

Hören Sie auf, ständig «Fickt Euch!» zu sagen, ja?
Sie sind schließlich auch nicht im Bilde!
Über Goliath haben Sie hier nicht zu befinden! – Nö!

Ich kann sehr wohl jeden meiner Sätze mit Ausrufungszeichen beenden!

Sie könnten sich freuen, hier das Klopapier mimen zu dürfen!
Unsere Sterze nehmen Sie ernst! Wir hatten 5.000 Blatt zur
Verfügung, und Sie sind’s geworden, Monsieur Douche!

Achten Sie zukünftig auf Ihre Haltung am Stiel im Sielhäuschen!
Rühren Sie die Schwäne nicht an! WRUMM-WRUMM

Kaufmannsund- & Kleinschreibenden

Stehende Knospen

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read An; Öl auf Papier, 2009

 

Fortan schlüpften unsere Blüten den Minnesängern gleich aus ihren durchsichtigen, einsichtigen Welten. Der bestäubte Garn vieler Stunden wies ihnen den Weg durch den Kräuterfarn am Teich der irritierenden Gespinste, die mit den Butterfliegen rangen. Von den sanften Teilen ein Teil : das war ihr Begehr; und so drängten sie sich um das Seeufer herum, öffneten ihre Menuette (selbstverständlich im Dreivierteltakt) und zeugten in den Lüften von sich selbst und ihrem artistischen Flappern, der nahen Spule verwandt, nicht aber zu verwechseln mit den Tropfen, die sich vom endlos brausenden Mühlrad trennen. Besagter See ist ein gewisses Heute; unsere Blüten aber sind zeitlos, ein Mantel aus Flügelschlägen sorgt hierfür, genährt von Wiesenträumen. Die Kapriolen der Zinnober-Bürsten erklimmen ihre Wandten, vertanzen mit den Blüten einen gewissen Sommernachmittag. Wir werden uns den Schirm etwas kosten lassen, der uns während des Schauspiels ermöglicht, geschützt und sahnig eingeölt, das Okular auf die richtige Schärfe einzustellen.

 

Darstellung No. 3
Bild und Zauber: read An
Text und Traum: Michael Perkampus

Zum Audio-Beitrag …

„lass den himmel“

lass dem himmel
seine hölle,
lass ihn fallen
wie den engel.

halt den atem an,
und herzschlag bremse,
wo das alte, lass die sonne
in des mondes schein hinan.

lass den blüten späte wonne
und dem blatt noch seinen fall.
wo noch war die sonne,
ist dem lied sein ultraschall.

lass dem untergang
sein werden,
wie er rät dem nächsten,
und die weiden deinen pferden.

halt an und gehe weiter:
stehen bleiben gibt es nicht!
wo wir gehen,
bleiben pfade in das dunkle dickicht.

lass den küsten
ihre wasser
und dem strand sein branden,
und lasse mir mein anverwanden.

gehe weiter, frag mich nicht,
wohin. lass dann die leiter
stehen, wo wir steigen
hin und auf ins licht.

 

Zum Audio-Beitrag …

Santiago, New York und Isla Negra


Statue der Inmaculada auf dem San Cristóbal

••• Es fällt mir schwer zu schreiben. Dabei bin ich an einem Sehnsuchtsort. Vierunddreißig Jahre habe ich darauf gewartet, einmal durch die Straßen von Santiago de Chile zu gehen. Jetzt bin ich hier. Und wäre ich im Vollbesitz meiner Kräfte, würde es nicht mehr als diese Fakten brauchen, um einen ganzen Regenbogen an Geschichten aufzuspannen. Aber es fällt mir schwer zu schreiben. Wie kann das sein?

Als ich vor fast einem Jahr die Einladung zum Filba-Festival in Buenos Aires erhielt, war mir sofort klar, dass ich diese Gelegenheit nutzen würde, um nach Chile zu reisen. Drei Dichter, die mich maßgeblich geprägt haben, stammen von hier: Gabriela Mistral, Pablo Neruda und Antonio Skármeta. Dabei war Skármeta derjenige, über den mir die beiden anderen überhaupt erst wirklich zugänglich wurden.

 


Blick auf Santiago vom San Cristóbal

Viele chilenische Künstler fanden nach dem Militärputsch 1973 in der DDR eine vorübergehende oder auch längerfristige Exil-Heimat. Diesem Umstand verdankten wir Leser in der DDR den Zugang zur progressiven chilenischen Gegenwartsliteratur. Skármetas Erzählungen rund um den »Radfahrer vom San Cristóbal« erschienen 1982 im Aufbau-Verlag unter dem Titel »Alles verliebt, nur ich nicht«. Die Übersetzungen der Romane folgten, von »Ich träumte, der Schnee brennt« und »Aufstand in León« (über die Revolution in Nicaragua) bis zum »Haus auf den Klippen«, später weithin berühmt geworden unter dem Titel »Il Postino«, unter dem der Roman auch verfilmt worden ist.

Den Band mit Erzählungen habe ich auf dieser Reise dabei und wieder gelesen. Die Erzählung »Ein Wirbel beim Tanz« und der Roman »Il Postino« bringen Skármeta mit den beiden anderen Dichtern zusammen. In »Ein Wirbel beim Tanz« schreibt Skármeta von den letzten Tagen der Mistral. Ein gestrandeter chilenischer Schriftsteller ohne Veröffentlichungen wohnt einige Zeit bei »der Alten«, über die er sich nur despektierlich äußert. Als Abschiedsgeschenk, als er schließlich, von ihr wieder aufgepäppelt, weiterziehen will, wünscht sie sich eine chilenische Fahne. Die ist in New York, wo die Erzählung spielt, schwer aufzutreiben. Er müsse sich irren, sagen ihm die Händler, ein Land »Chile«, das gäbe es doch gar nicht. Er meine vielleicht Kuba oder China. Schließlich erklärt sich ein jüdischer Schneider bereit, die chilenische Fahne zu nähen, eigens für die »Alte«, damit sie ihren Willen hat und der undankbare junge Dichter weiterziehen kann.

Wenige Tage später stirbt die »Alte«, und die Fahne liegt auf ihrem Sarg. Eigens dafür hatte sie sie sich gewünscht. Und das alles lässt Skármeta den älter gewordenen und nach Chile zurückgekehrten Dichter im angetrunkenen und sentimalen Zustand seiner Geliebten erzählen. Gegen diese zehn Seiten ist die gesamte deutsche Gegenwartsliteratur blutleeres Gewäsch.


Isla Negra

In »Il Postino« geht es um den Briefträger Pablo Nerudas in Isla Negra, jenem kleinen Ort an der Pazifikküste, etwa 100 km von Santiago entfernt, in dem Neruda den Großteil seiner berühmtesten Werke schrieb: Die »Elementaren Oden« etwa oder den »Canto General«.

Also bin ich nicht direkt nach Buenos Aires gereist, sondern zunächst nach Chile. Ich wollte auf den San Cristóbal steigen und vom Heiligtum der Inmaculada Concepción auf Santiago hinabschauen. Ich wollte die Moneda sehen und den Hut vor dem Denkmal Allendes neben der Moneda ziehen. Ich wollte die Studenten auf den Grünstreifen der Avenida de Providencia Pause machen sehen, wie Skármeta es beschreibt, an den grünen Hängen des Santa-Lucia-Hügels, und ich wollte das Haus auf den schwarzen Vulkansteinklippen besuchen.


Isla Negra

Natürlich ist das ein sentimentaler Aufenthalt. Ich werde nie wieder Teenager sein, so leicht und stark beeinflussbar wie seinerzeit von der chilenischen (Exil)-Literatur und direkt im Gefolge von der lateinamerikanischen Literatur allgemein, soweit man bei uns von ihr erfuhr, also nur von den ganz Großen. Aber ich hätte nicht gedacht, dass dieser Aufenthalt mich so berühren wird.

Der Besuch in Isla Negra heute war entzaubernd und erhellend zugleich. Neruda war am Ende doch auch nur ein dicker Angeber, der sich bestens auf Selbstinszenierung verstand. Ein selbsternannter »Seemann«, der nie ein Schiff betreten wollte, weswegen sein eigenes neben dem Haus auf dem Trockenen liegen musste? Ich kann und will ihm nichts vorwerfen. Er war ehrlich, wenn er sagte, dass er sich mit Spielzeug und Erinnerungen an seine Kindheit umgeben müsse. Denn dort sei die Wurzel seiner Dichtung. Mit dem verspielten Kind in ihm in Kontakt zu bleiben, sei die beste Möglichkeit für ihn, auch im Jetzt glücklich zu sein. Solche Worte sind schwer zu ertragen, wenn man mit der eigenen Kindheit möglichst nichts mehr zu tun haben möchte.


Isla Negra

Auf dem Rückweg nach Santiago war ich wütend. Ich verschwende meine kreativen Energien auf Softwareentwicklung. Software ist veraltet, sobald man sie in Betrieb nimmt. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Code, den man heute schreibt, in zehn Jahren nicht einmal mehr lauffähig ist, wenn er denn überhaupt noch von irgendwelchem Wert ist. Warum schreibe ich dann nicht lieber? Warum mache ich nicht einfach Literatur? Nun, abgesehen davon, dass drei Kinder essen und bekleidet und gebildet werden wollen, was Geld kostet, das man mit Literatur kaum verdienen kann, gibt es noch einen anderen Grund: Es ist genauso sinnlos wie Software zu schreiben. Will man irgendwie durchkommen, muss man sich zum Narren des Literaturbetriebs machen, sich selbst vermarkten, sich selbst verraten. Alle drei Chilenen, die ich so verehre, haben Literatur gemacht, die etwas bewegt hat. Es ging um etwas. Es ging sogar um große Beträge. Und daran bin ich erinnert, wenn ich nun ein paar der Orte selbst besuchen kann, die in den Werken dieser drei eine Rolle spielen.


Isla Negra

Allein die Anden! Caballero Calderón schrieb 1966 in seinem Buch »Der gute Wilde«, man dürfe nicht vergessen, dass der hispano-amerikanische Schriftsteller von der »Landschaft förmlich aufgefressen« werde. Das versteht man nur zu gut, wenn man über den morgendlichen Bergen über Santiago eingeflogen ist oder den Weg von Santiago an die Küste gemacht hat. Diese Landschaft verströmt einen spröden Zauber, der seinesgleichen sucht.

Das alles macht mir unbändige Lust, wieder zu schreiben, und erinnert mich doch mit Wucht auch daran, warum ich es so sinnlos finde, es zu tun.

Mistral, Neruda und Skármeta waren und sind Botschafter ihres Landes in aller Welt gewesen – nicht symbolisch, sondern de facto! Und ein Land, das seine Dichter zu seinen Botschaftern macht, ist mir sympathisch, bei aller blutiger Vergangenheit. Dichter als Botschafter! So sollte es sein.

Zu schade, dass ich schon gehen muss. Ich werde noch einmal hierher kommen müssen – nicht allein und mit viel mehr Zeit.

Vom Fleck weg!

Letztens fiel mir, durchaus nicht zufällig, Peter Rühmkorfs Büchlein Kleine Fleckenkunde in die Hände. Zu einem seiner Klappdrucke schreibt er:

Wer hierzulande Flecken hinterläßt
gilt gleich als Schwein.
Wer einen Klecks in eine Ordnung preßt
kann schon ein Künstler sein.

Wie wahr! Hier ein Versuch meinerseits!

norbert-w-schlinkert-klappdruck-wombart

PS: Wombat schön und gut, so sehe ich das; allerdings wurde mir nach Begutachtung des Klappdrucks eine Geschichte zu Gehör gebracht, die mit einem Büro nach Feierabend und einem Kopierer zu tun hat, aus der obiges Bild ebenso gut hätte entstehen können. Nein, sage ich, nein; es war der Wombat, der aus der Schwärze des Tintenfasses ans Licht strebte!

Offenes Weltbild

Es ist nicht gut, allein zu sein. Möchtest du nicht in meinem Buch der Liebe stehen? Möchtest du eine Seite oder ein eigenes Kapitel? Möchtest du das halbe Buch, oder der Rest von dem, was noch zu schreiben wäre?

Familienbilder: Vater und seine neue Frau vor zwanzig Jahren. Also in meinem jetzigen Alter. Rosige Gesichter.

In Ruhe Musik hören, das mache ich. Mit den Ausmaßen des Verfalls hatte ich nicht gerechnet.

„Gestern abend sind sie beide zu mir gekommen (…) Sie sahen beide so glücklich aus! Rose war so schön in ihrem hellen Kostüm mit dem weißen Hut, Rose, die ich mir hatte entgehen lassen, die zu lieben ich nicht verstanden hatte (…) vor der ich mich so bewahrt, die ich in letzter Zeit so gemieden hatte, Rose, mit der ich mich plötzlich viel verbundener fühlte, als ich je geglaubt hätte, die ich ihm durch mein Schweigen, meine Verblendung selbst in die Arme getrieben hatte, weil ich mich in dieses Zimmer einschloss, ohne zu ahnen, dass alles so weit gehen könnte (…) Ich habe Lust, mich zu betrinken; es ist noch nicht halb elf, die Pubs haben noch nicht geschlossen.“
Michel Butor, Der Zeitplan

O Leichtbauweise
Dichterin zu Pferde
13 nackte Darsteller, die sexuelles Erleben performativ nachstellen

Sie setzen ihre Arbeit fort, sie sprengen auch weiterhin die Brücken hinter sich. Sie haben es kalt im Wohnzimmer.

Absurd, sich mit „Please Mr. Postman“ die Ankunft neuer Nachrichten signalisieren zu lassen. Geht es im Lied doch darum, dass keine Post kommt, immer noch nicht, obwohl man schon so lange wartet.

Alle hören jetzt Health.

Vernachlässigung
Verwahrlosung
Fake News
Wintermarkt
Der GEFÄHRDER

Die Einsamkeit des Systems. Und was wird aus uns? Die Welt modelt sich um, alles kratzt und schabt, und ja, es könnte auch gut werden. Und Dagegensein hat noch nie etwas gebracht, Dagegensein wird einem nicht entlohnt, wird nicht ausbezahlt, ist keine Option.

„Der Schlussmacher“, Film:
Kann sein, es ist wirklich so wie in diesem Schweighöfer-Film. Ich meine jetzt nicht die brülligen Gags. Die Abziehbilder von Deutschland. Die unhinterfragten Wahrscheinlichkeiten. Ich meine die Konstruktion von Liebe. Kann sein, es ist so, dass man nicht auf die Trennung setzen sollte. Weil man Scheidungskind ist. Nicht in die Liebe investiert. Feige ist.

Andererseits. Wirklich subversiv wäre der künstlerische Ansatz doch erst. Wenn Schweighöfer die Figur der Freundin mit einer durchschnittlich aussehenden Frau besetzt hätte. Oder einer, die weniger als durchschnittlich ist. Was der Film nämlich bedient, ist: das gewöhnliche Prinzip, das Houellebecq (oder Bourdieu vor ihm) das ökomische erotische Kapital genannt hat. Es ist leicht, zu den sexuell Attraktiven zu halten. Oder zu ihnen zurückzukehren. Sie bringen das nötige Kapital eben schon mit.

Pech ist nur. Wenn man aus dem Kapitalkreislauf geschmissen wurde. Durch Alter. Durch verändertes Aussehen. Durch finanziellen, statuellen Niedergang. Und dann in den unteren Bereichen surfen muss. Die auf der anderen Seite eben mit Schönheit gekoppelt sind. Oder vielmehr mit der Ahnung, mit der Abwesenheit von Schönheit.

Oder wenn man da draußen ist. Weil man eine Trennung hinter sich hat. Aber alle anderen, die in Frage kämen. Weil sie schön, interessant, gut etc. genug sind. Eben vergeben sind. Und vergeben bleiben. Weil Trennungen nicht mehr passieren. Nicht mehr so einfach ab 30, ab 31. Und wenn, dann Dramen sind. Weil echte Lebensentwürfe mit ihnen zu Bruch gehen. Denn ja, wer will das schon.

All das verhandelt der Film leider nicht.

Genesis

„Einen absoluten Sinn zu retten ohne Gott, ist eitel.“ fällt mir bei der Lektüre von Raoul Schrotts Erste Erde Epos ein; aber ich würde diesen Satz Horkheimers gar nicht gegen Schrotts Projekt in Stellung bringen wollen, da der Versuch, eine Genesis ohne Gott zu konstruieren, zumindest immer pantheistische Züge annimmt. Selbstschöpfung verzichtet ja nicht auf einen Schöpfer. Er wird gewissermaßen der Schöpfung nur implantiert. Vor dem Urknall ist nach dem Urknall. Da das Innerste sich nach außen wendet, und Zeit zu aller erst entsteht.
Schrott:
und reden von einem big bang als wäre er der schlag auf einen gong
nicht das o vollkommener stille / ein unaussprechlicher monophtong

 

Da draussen liebt dich niemand, da draussen wirst du nur gefeiert

„Und alle beglückwünschten mich. Das war der Durchbruch. Ich war die Königin der Welt.“

Sie hat geträumt, sie eröffne eine Ausstellung und alle sind gekommen. All die Großkopferten stehen in der Galerie herum und blicken bedeutungsvoll um sich und schlürfen Sekt und Champagner, alles, was Rang und Namen hat, klopft ihr auf die Schultern. Doch seltsam. Von ihren Leuten ist niemand da. Keine Freunde, niemand aus der Familie. Es sind nur fremde Besucher, die ihre Kunst feiern.

Es sind großformatige Ritter-Bilder.

„So etwas brauchen wir, genau so etwas“, lächelt der Kurator, „für unser neues Museum in Chicago.“

Als sie sich verzweifelt umblickt, auf der Suche nach einem vertrauten Gesicht, bemerkt sie, dass sie die Bilder an der Wand gar nicht kennt. Es sind überhaupt nicht ihre Bilder. Sie hat sie noch nie gesehen.

Kinder kommen auf sie zugelaufen.

„Was hast du für eine schöne Krone auf, Königin?“

Eine Krone? Ich war doch bloß beim Frisör, sagt sie, doch niemand hört hin.

Während sie weiterhin hofiert und gesalbt und beglückwünscht wird, versucht sie vergeblich, meine Schwester anzurufen, um sie zur Ausstellung einzuladen. Weil ja sonst niemand da ist, den sie kennt. Bis auf mich. Ich bin die ganze Zeit in ihrer Nähe, halte mich aber im Hintergrund, sage nichts.

„Hast du gesehen..? Das sind überhaupt nicht meine Bilder“, flüstert sie mir ins Ohr.

„Ja, aber es ist deine Krone“, sage ich.