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bandoneon

die uhr tickt stetig. in ihren leisen marsch mischt sich das klicken der stricknadeln, das schaben der wolle an wenckes schwieligen händen, das knistern der plastiktüte, wenn sie den faden nachzieht. sie lauscht, sortiert gedanken. malte ist heimgekehrt. mitten in der nacht stand er vor der tür, klopfte nicht, stierte nur vor sich hin. davon muß ich aufgewacht sein, denkt sie, von seinem stehen und stieren vor der tür. niemand rechnete damit, ihn wiederzusehen. von dort, wo man ihn hingeschickt hat, kommt keiner zurück. er ließ sich nicht umarmen, ging einfach an ihr vorbei zum sofa, legte sich hin und schlief. gegen mittag holte er ein uraltes bandoneon aus dem seesack und verschwand in der kirche nebenan. seit stunden spielt er dort. hoffentlich findet er jemanden, dem er alles erzählen kann, denkt wencke. nur mir nicht, bitte nicht mir…

.revers

vielleicht ahnst du nicht wie viel
mir deine haare im waschbecken
deine unordnung in den ecken
dein gleichförmiger nächtlicher
atem bedeuten wie sicher meine
gedichte auf deinen taten ruhen
die das lasten der worte ertragen
den erschütterungen standhalten
wie sehr ich dich misse wenn ich
nach innen reise wo einsamkeit
unumgänglich und taubheit wie
blindheit nach außen herrschen
alles gesetzen und regeln folgt
die nie niedergeschrieben noch
ausgesprochen wurden und doch
so sicher existieren wie gott oder
wir jetzt und hier unbeweisbar
so spürbar so ruhelos so echt
wie ich ernüchtert zurückgekehrt
stumm auf das schlagen der türe
unten im hausflur horche wieder
und wieder enttäuscht wenn die
schritte in anderen stockwerken
einhalten und andere schlüssel
in anderen schlössern drehen
die nicht unsere sind und mir
nicht ins gesicht lächeln und mir
nicht erzählen wie der tag war
auf der anderen seite der haut