Dies ist der Tag vor dem Tag. Tage folgen sich unaufhörlich. In einer langen Kette stehen sie vor unserem Grab. Manche Tage klopfen sich auf die Schulter. Rechts zumeist. Würde man sie darauf ansprechen, warum es ausgerechnet die rechte Schulter ist, würden sie schweigen, weil sie nicht wissen, was sie tun. Tage werden hauptsächlich getan. Das ist ihr Los, dem sie sich beugen. Missbrauchte Geschöpfe sind sie, die von uns mit Unsinn und Tränen, mit Lachen, mit Intrigen, mit Kämpfen gefüllt werden. Ist man nicht vorsichtig, wird der Tag dicker und dicker, fett wird er und muss am Ende eine Diät machen. Andere Tage wiederum sind zu dürr. Zwanghaft versuchen die Menschen, die einen dürren Tag an der Hand halten, ihn aufzupäppeln. Sie füttern ihn mit Vormittagsfernsehen, mit Romanen, mit einem Attentat. Es gibt Tage, die werden zu Verbrechern erzogen.
Die Anzahl der Tage, die sich für uns am Friedhof anstellen, ist errechenbar, wenn man im Sarg liegt. Leider tut man sich im Tod schwer mit Mathematik, auch mit anderen Denksportaufgaben. Sonst wäre es möglich, die genaue Anzahl der Tage zu bestimmen, die eine Schlange bildeten, die anstanden, um uns ans Lebensende zu transportieren.
Die Tage sind LKWs, die uns über die Schnellstraßen, die Nebenstraßen, die Hauptstraßen des Lebens zum Enddiscounter liefern. Wir sind nichts anderes als Fleischstücke, die sich frisch zu halten versuchen, um irgendwann gepflegt verrotten zu dürfen.
Merkwürdig sind sie, diese Tage, die Anhänger für uns sind, die wir nicht nur bewohnen, sondern auch ausstatten wollen. Drum tapezieren wir die Tage. Schleppen Sessel in sie rein. Hängen Fotografien an ihre Wände. Wir schreien uns in ihnen an, während sie darauf warten, ans Ende einer Schlange zu kommen, deren Biss tödlich ist.
Heute ist also der Tag vor dem Tag. Morgen kommt ein anderer Tag, der hinter einem Tag steht, der wiederum hinter einem Tag steht, bis wir erschrocken feststellen, dass kein Tag mehr vor dem Tag heute steht.