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Was ist ein Felleisen?

 

Louis-Julien Jacottet: Auberge de Gavarni (Ausschnitt), um 1841.
Louis-Julien Jacottet: Auberge de Gavarni (Ausschnitt), um 1841.

In literarischen Texten ist der Begriff des Öfteren zu finden: in Grimmelshausens „Simplicius Simplicissimus“ ebenso wie in Gottfried Kellers „Grünem Heinrich“ oder in der Sammlung „Hetzjagd durch die Zeit“ von Egon Erwin Kisch. Wenn E.T.A. Hoffmann in seiner Erzählung „Meister Floh“ von einem Mann berichtet, „der ein Felleisen auf dem Rücken trug“, wenn Achim von Arnim in „Des Knaben Wunderhorn“ schreibt, dass im Frühjahr die Handwerker „mit Bündel und Felleisen“ auf Wanderschaft gehen, und wenn Hugo von Hofmannsthal in seinem Stück „Das Bergwerk von Falun“ eine Person sagen lässt: „Acht‘ auf das Felleisen, sind gute Kleider drin, dass es nicht nass wird“, dann ist klar, dass es sich bei einem Felleisen um ein Behältnis handelt, um eine meist recht große, sackartige Tasche.

Mit „Fell“ und „Eisen“ hat die Sache allerdings nichts zu tun. Der Begriff geht auf das mittellateinische „valisia“ (bzw. „valixia“) zurück und ist mit dem französischen Wort für „Koffer“ – nämlich: „valise“ – verwandt. Lange Zeit in Gebrauch war der Begriff Felleisen vor allem in Zusammenhang mit jenen Satteltaschen und Lederbeuteln, die zur Beförderung der Post verwendet wurden. Daher ist das Wort auch immer wieder in älteren Zeitungsberichten zu finden – so etwa meldete das Wiener „Fremden-Blatt“ am 29. Mai 1852, dass im „k.k. Postwagen“ auf der Route nach Budapest „das Post-Felleisen aufgeschnitten worden [war], doch täuschten sich die Gauner in ihrer Hoffnung, da zum Glücke kein Geld darin enthalten war.“

Jan Luyken: Postbote zu Pferd, 1711 (Rijksmuseum, Amsterdam).

Jan Luyken: Postbote zu Pferd, 1711 (Rijksmuseum, Amsterdam).

Als während des Krimkrieges österreichische Poststücke von den russischen Kontrahenten abgefangen worden waren, nutzte der Wiener Journalist und Satiriker Moritz Gottlieb Saphir in seiner Zeitschrift „Der Humorist“ (17.7.1854) die Wortteile „Fell“ und „Eisen“, um auf die Geschehnisse mit einer Redensart zu verweisen: „Die Russen sollen der Post ein Fell von Eisen über das Ohr gezogen haben, sie sollen nämlich ein österreichisches Post-Felleisen aufgefangen haben.“

Pjotr Nikolajewitsch Grusinsky: Postbote (Ausschnitt), 1861

Pjotr Nikolajewitsch Grusinsky: Postbote (Ausschnitt), 1861

In den Post-Felleisen wurden natürlich auch Zeitungen – und damit aktuelle Informationen – an die Adressaten übermittelt, und das war vermutlich die Inspiration dafür, dass die 1861 gegründete Zeitschrift des Arbeiterbildungsvereins der deutschsprachigen Schweiz den Namen „Felleisen“ erhielt.

Was sonst noch alles in ein Felleisen passte, beschrieb der Schriftsteller Alexander Roda Roda in seiner 1922 erschienenen Erzählung „Perillustris ac generosus Zintekk“. Bei einer Rast irgendwo im ländlichen Kroatien holt da nämlich der Protagonist Zintekk „ein mächtiges Felleisen aus dem [Pferde-]Wagen – offenbar ist alles bei ihm gigantisch. Aus dem Felleisen quellen gebratenes Geflügel, Kuchen, Brot und die langen Schweife von Schalotten“ – und nach all dem tauchen auch noch „zwei tüchtige Braten aus dem Felleisen“ auf.

Charles Maurice: Geierjagd am Pic d‘Ossau, um 1852.

Charles Maurice: Geierjagd am Pic d‘Ossau, um 1852.

In Gebrauch war der Begriff Felleisen bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Eines der letzten Belegstücke für die Verwendung findet sich in der Oktoberausgabe 1958 der von der österreichischen Sozialversicherung herausgegebenen Zeitschrift „Soziale Sicherheit“. Dort wird mitgeteilt, dass land- und forstwirtschaftliche Angestellte beim „Fang schädlichen Wildes“ ihre Felleisen „selbst beizustellen“ hätten.

Sprachlos

 

Sprachlos © Rittiner & Gomez @ isla volante 2019

Zum Glück sind die Cañas auf dem Boot perfekt eingespielt. Den seit dem Tod seiner Frau spricht er selten mehr als ein Wort. Falls er einmal einen Satz sagt, kommen die Worte sehr holprig daher.

Frau Adler gab sich heute noch mehr Mühe mit der Frisur. Aber direkt in den Hafen traut sie sich nicht.

Er geht wie jeden Morgen seinen Weg entlang. Frau Adler nickte ganz leicht.

Das Meer ist ruhig, die Wassertemperatur beträgt 24°.

 

Immer bei Regen

 

Immer bei Regen ziehen Schwaden von Zigarre

vom Innenhof hinauf zu mir und den Meinen,

die mir nicht gehören, und vernebeln unsere Luft,

die wir abwechselnd ein- und ausatmen, ein und aus, und ich frage mich:

Wer im Hinterhaus raucht hier Zigarre?

Das lesbische Paar mit den winzigen Töchtern, die nie schlafen, ist es nicht

Der Geiger mit der Armprothese, der unendlich üben kann, ist es nicht

Die verräterische Oma mit dem Veilchenparfum ist es nicht

Die Stadtreinigung ist es nicht

Auch Bob Dylan ist es wahrscheinlich nicht

Bleibt noch der Hofhund wider Willen

Bleibe noch ich, vor Jahren

Bleibt noch

x

6. Juni 2019 19:52

Hermes

 

Die Fliege, die du gestern
Abend nicht gefangen
hast, sagt mein Sohn,
zappelt jetzt im Netz
der Zitterspinne. Er ist
erschüttert. Ein Bündel
am Fenster. Und im Juni
ist Licht das häufigste
Phänomen neben dem
Rascheln der Linden.
Als ob Jahre zurückkämen.

18. Juni 2019 09:48

im park

2

nord­pol : 0.18 UTC — Es war ein war­mer Regen­tag, den ich unterm Schirm spa­zie­rend im Pal­men­gar­ten ver­brach­te. Ich ging Stun­de um Stun­de im Kreis mit einem wun­der­ba­ren Gefühl dahin, etwas Neu­es zu erle­ben. Der Schirm näm­lich war ein beson­de­rer Regen­schirm, ich trug ihn zur Pro­be, es war ein Schirm, der über eine wei­te­re fei­ne Haut ver­füg­te, die das eigent­li­che schüt­zen­de Gewe­be wie eine zwei­te Haut bespann­te. Die­se Haut war nun in der Lage, die Zahl der Trop­fen, die auf die Ober­flä­che des Schir­mes tra­fen, zu zäh­len, indes­sen sehr klei­ne Kame­ra­au­gen die Bewe­gun­gen mei­nes Kör­pers beob­ach­te­ten, der sich exakt wie der Kör­per eines Spa­zier­gän­gers ver­hielt. Sie saßen in der Kro­ne des Regen­schirms fest, und ich den­ke, es ent­ging ihnen nichts, sodass ein quan­ten­me­cha­ni­scher Algo­rith­mus in Bruch­tei­len von Sekun­den zu ent­schei­den ver­moch­te, wie vie­le Regen­trop­fen mei­nen spa­zie­ren­den Kör­per getrof­fen hät­ten, wenn ich nicht beschirmt unter­wegs gewe­sen wäre. Gegen acht Uhr abends hör­te es auf zu reg­nen und ich ging nach Hau­se, um in der digi­ta­len Sphä­re nach Algo­rith­men des Sor­tie­rens zu suchen. Fol­gen­de Bezeich­nun­gen wur­den sofort gefun­den: bina­ry tree sort, bogo­sort, bub­ble­sort, bucket­s­ort, combsort, coun­ting­s­ort, gno­me­sort, heapsort, hybrid­sort, inser­ti­ons­ort, intro­sort, mer­ge inser­ti­on, mer­ge­sort, quicks­ort, radix­sort, selec­tions­ort, shakers­ort, shells­ort, slow­sort, smooth­sort, stoo­ge­sort, swap-sort, timsort.Nichts wei­ter. — stop

Andreas Louis Seyerlein tree5

 

Das Lesezeichen 01/2019 ist da!

Lesezeichen, Ausgabe 01/2018 vom 22. April 2019.

Marianne Büttiker: 2/19 Signifikat

 

In dieser Ausgabe: Sekundenschlaf im Tram – Wider die Wohlfühlpreußen  – Lenin und Lueger in der Requisite – inkbot butterflies – vor­sich­tig hin­ter einem Leicht­ge­wicht­rolla­tor spa­zier­en – die Augen des Chamäleons – was blieb von dem Jungen, / der durch die Gerste strich, / der versuchte den Wind zu lesen – Von Leuchttürmen und anderen Poeten – die Vögel am Landwehrkanal – Schall und Rauch von Ereignissen – Erinnerung an Agnès Varda –In ihrem Ursprung ist Welt Vergessenheit 

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Inhalt 01/2019

Lesezeichen, Ausgabe 01/2018 vom 22. April 2019.

 

Marianne Büttiker: 2/19 Signifikat

 

In dieser Ausgabe: Sekundenschlaf im Tram – Wider die Wohlfühlpreußen  – Lenin und Lueger in der Requisite – inkbot butterflies – vor­sich­tig hin­ter einem Leicht­ge­wicht­rolla­tor spa­zier­en – die Augen des Chamäleons – was blieb von dem Jungen, / der durch die Gerste strich, / der versuchte den Wind zu lesen – Von Leuchttürmen und anderen Poeten – die Vögel am Landwehrkanal – Schall und Rauch von Ereignissen – Erinnerung an Agnès Varda –In ihrem Ursprung ist Welt Vergessenheit 

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