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die strudelnden


Plätze, Pläne (sag gleich: Projekte) drängln herbei und belagern,
belangen mich nicht, ein Mund strömz aus und noch einer, nichts
hält und eine Weile lässt sich lange so sitzen im Eck, leere Wand, leere Welle

Zuspruch aus dem Off: „Wann die Münder so krachen, heißts, dass die Spucke sich ändert“

hier ende ich langsam, ach, all die wrongen Worte, unser hastig Gebaren!
die trunkene Pappel geht in mein Ohr, mir ein, Oratorium, mich
driftend erscheinen Menschen, Namen, Orte, scheinige Sprach-
salven, wolln nicht verfangen

dabei teilen wir doch und ganz konkret unsre Knochen, werden durchgespeist,
suchen, versuchen, stochern –23. Dezember 2018 10:38

wieder koffer unsichtbar

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alpha : 19.52 UTC – An diesem Abend spaziere ich hinüber zum Friedhof, um zwei Kerzen anzu­zünden auf dem Grab meines Vaters, das nun auch das Grab meiner Mutter sein wird. Vater ist also schon da, und Mutter wird bald hierher zu ihm kommen. Das gefro­rene Gras knis­tert unter meinen Schuhen. Es ist still, der Stern­himmel klar. Viel schöne kleine Lampen leuchten unter den Bäumen. Ein paar Katzen­augen werden auch darunter gewesen sein. Auf dem Heimweg erin­nerte ich mich an eine Geschichte, die ich vor einigen Jahren notierte. Sie geht so: Mein Vater war ein Lieb­haber tech­ni­scher Mess­ge­räte. Er notierte mit ihrer Hilfe Dauer und Kraft des Sonnen­lichts beispiels­weise, das auf den Balkon über seinem Garten strahlte. Die Tempe­ra­turen der Luft wurden ebenso regis­triert, wie die Menge des Regens, der in den warmen Monaten des Jahres vom Himmel fiel. Selbst die Bewe­gungen der Gold­fi­sche im nahen Teich wurden verzeichnet, Erschüt­te­rungen des Erdbo­dens, Tempe­ra­turen der Prozes­soren seiner Compu­ter­ma­schine. Es ist merk­würdig, beinahe täglich gehe ich zur Zeit auf die Suche, weil wieder irgend­eine dieser Mess­ap­pa­ra­turen einen piep­senden Ton von sich gibt, als ob mein Vater mittels seiner Maschinen noch zu mir spre­chen würde. Indessen habe ich seit zwei Tagen Kenntnis von einer Foto­grafie, die mich neben meinem ster­benden Vater zeigt. Ich sitze auf einem Stuhl, mein Vater liegt in einem Bett. Es ist ein Bild, das ich zunächst kaum anzu­sehen wagte. Ich habe tatsäch­lich eine Hand vor Augen gehalten und zwischen meinen Fingern hervor­ge­späht. Jetzt ist mir warm, wenn ich das Bild betrachte. Die Foto­grafie zeigt einen fried­li­chen Moment meines Lebens. Etwas geschieht, wovor ich mich lange Zeit gefürchtet habe. Weinen und Lachen falten sich wie Hände sich falten. Mutter irrt zwischen Haus und Friedhof hin und her, als würde sie irgend­eine unsicht­bare Ware in gleich­falls unsicht­baren Koffern tragen. – stop

 

Völliger Quatsch mit völliger Soße

 

 

Sich der Aufgabe zu widmen, zu der dem Text als Idee vorangegangenen Überschrift einen sinngemäßen Text zu verfassen, ist völliger Quatsch mit völliger Soße. Nachdem diese Aufgabe also bereits mit dem ersten Satz überzeugend gelöst worden ist, kann ich mich jedem anderen Thema zuwenden, beispielsweise der Thematik der schwindenden Bedeutung von Wort und Text. Wobei dies falsch ausgedrückt zu sein scheint, denn je kürzer und gedrängter eine Aussage präsentiert werden muss, also etwa bei Nutzung des Mikrobloggingdienstes Twitter, desto gewichtiger scheint auch jedes einzelne Wort und damit die Gesamtaussage. Das ist keine neue Erfindung, denn bereits seit der Einführung der Depesche bzw. des Telegramms Mitte des 19. Jahrhundert verkürzten die Sender Nachrichten auf das absolute Minimum, allerdings aus finanziellen Erwägungen heraus und nicht, wie heute, aus Agitationsgründen, denn die „Depesche“ des 21. Jahrhunderts richtet sich nicht mehr an den Einzelnen, sondern an alle Einzelnen, an die Masse – der Wähler, Konsumenten, Follower. So ist die sogenannte catchword argumentation / Schlagwortargumentation Gang und Gäbe geworden und wendet sich weniger an den Verstand als vielmehr an das emotionale Zentrum des Menschen, von den in Tränen gebadeten Augäpfeln und den zusammengebissenen Zähnen also abwärts über Bauch und Geschlechtsteile zum aufstampfenden Fuß. Wer komplexere Dinge mitzuteilen hat, der bleibt (dieser Praxis des Verkürzens, Verknappens und Vereinfachens wegen) außen vor und wird nicht gelesen und gehört, es sei denn von denen in der Seines-, Meines-, Ihresgleichen-Blase. Ergo: Je länger und komplexer der Text, desto kleiner die Blase, je kürzer und unterkomplexer der Text, desto größer die Blase. Wie gesagt: Völliger Quatsch mit völliger Soße!

Zusammenfassend hier noch das oben Beschriebene in einer knappen Bild-Text-Komposition:

„V.Q.m.v.S.“ Norbert W. Schlinkert 12/2018
„V.Q.m.v.S.“ Norbert W. Schlinkert 12/2018

 

 

Das Lesezeichen 03/2018 ist da!

Lesezeichen, Ausgabe 03/2018 vom 08. Oktober 2018.

 

In dieser Ausgabe:

vier jahre einsam, auf dem festland, wider das Handy im Verkehr, ein Geruch, der von Wörtern noch gefunden werden muss, Bukowski lesen in Salzburg, das Mädchen mit der Sterntüte, Niemand wird ankommen, wo ich hingegangen bin,  was mit Benzini gewesen ist, die Milliarden von feinsten Sandkörnern in den Dünen und an den Stränden von Skagen, man könne im eigenen Schreiben nicht mehr zurück hinter das gelesene Grandiose, und dennoch wurde Nico zur Ikone, weil in ihren Songs und in ihrer offensiven Verzweiflung etwas Ausdruck fand, was im Fühlen dieser Generation und ihrer Kinder Wiederhall fand, Alphabet ist mithin der Sohn einer Stromquelle“. … u.v.m.

⇒ ZUM INHALT …

Inhalt 03/2018

 

Lesezeichen, Ausgabe 03/2018 vom 08. Oktober 2018.

 

In dieser Ausgabe:

vier jahre einsam, auf dem festland, wider das Handy im Verkehr, ein Geruch, der von Wörtern noch gefunden werden muss, Bukowski lesen in Salzburg, das Mädchen mit der Sterntüte, Niemand wird ankommen, wo ich hingegangen bin,  was mit Benzini gewesen ist, die Milliarden von feinsten Sandkörnern in den Dünen und an den Stränden von Skagen, man könne im eigenen Schreiben nicht mehr zurück hinter das gelesene Grandiose, und dennoch wurde Nico zur Ikone, weil in ihren Songs und in ihrer offensiven Verzweiflung etwas Ausdruck fand, was im Fühlen dieser Generation und ihrer Kinder Wiederhall fand, Alphabet ist mithin der Sohn einer Stromquelle“. … u.v.m.

INHALT:

 

Arethusa und Alphabet

Arethusa, die Quelle (Source), hat ihr Kind, den „Strom Alphabet“, aufgrund ihres gefährlichen Jobs als „Entspringerin“ zur Adoption freigegeben. Alphabet ist mithin der Sohn einer Stromquelle, mehr oder weniger also der „Strom an sich“. Es „verfließt“ einige Zeit, wobei die Zeit beim Strom im „übertragenen“ Sinne zu verstehen ist. Was ist die Botschaft? Alphabet kennt sie nicht. Also sucht er nach seinem Ursprung. Murmelnd fragt er nach der Quelle – seinem „Code“ –, den er als Mutter (Matrix) bezeichnet, weil er bei den Menschen aufgewachsen ist. Aufgrund dieser falschen Bezeichnung findet er aber am Ende nicht die Gesuchte, sondern tatsächlich nur eine alte Uhr. Ja, da sitzt dieser junge Alphabet an einem Sonntag bei dieser Uhr in der guten Stube und schüttet sein überfließendes Herz unter lautem Ticken einer Buchstabensuppe aus …

 

I´ll be your mirror. Nico 1988

Venus im Pelz, aus: Jutta Pivecka: Punk Pygmalion, 2014

Christa Päffgen, alias Nico, wurde 49 Jahre alt. Geboren wurde sie in demselben Jahr wie meine Mutter, 1938. Sie lebte ein Leben in einer Mode, Künstler- und Drogenwelt, das dem meiner Mutter kaum fremder sein könnte. Und dennoch, so glaube ich, wurde sie auch zur Ikone, weil in ihren Songs und in ihrer offensiven Verzweiflung etwas Ausdruck fand, was im Fühlen dieser Generation und ihrer Kinder Wiederhall fand, ein Echo: „I´ ll be your mirror.“

Susanna Nicchiarelli, 1975 geboren, hat einen Film über die letzten Jahre Christa Päffgens gemacht: Nico, 1988. Im Film wird die Rolle der Nico von der fantastischen dänischen Schauspielerin und Sängerin Trine Dryholm gespielt. Ein Film über eine Rock-Ikone, ein Model, eine Drogenabhängige, eine Mutter. Ein Film über eine talentierte Frau, inszeniert von einer talentierten Frau, gespielt von einer talentierten Frau. Ein Film über das Scheitern. Und die Stärke des Scheiterns. Über die Schönheit. Die Vergänglichkeit. Die Wut. Und die Zärtlichkeit. Über das Versagen. Und Weitermachen. Kein Happy End in Hörweite.

Das Gesicht Christa Päffgens und ihre verrauchte Stimme wurde zur Projektionsfläche ganzer Generationen von Männern (und einiger Frauen): das schöne Rätsel Frau, tiefgründig, unerforschlich, gefährlich traurig. Femme Fatale. Ein Abziehbild mythischer Frauenfiguren, die einen unwiderstehlich hinabziehen in ihre schaurig-schöne Unterwelt. Die niemals einen Point of View haben: Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes „ohne Perspektive“, denn sie werden geschaut und gedeutet. Dazu müssen sie passiv sein und leer bleiben: „My heart is empty/ but the songs I sing/Are filled with love for you.“ Christa Päffgen aber hat getan, was in diesem Deutungssystem nicht geschehen darf, sie hat der „Muse“ des Künstler-Mannes eine eigene Stimme gegeben. Im Film lässt Nicchiarelli sie sagen: „My life started after the experience with the Velvet Underground.“

Nicchiarellis Film beginnt mit einer Einstellung, die das Kind Christa auf einer Wiese zeigt, am Horizont das brennende Berlin am Ende des Krieges, in der Luft die Geräusche der alliierten Flieger. Die ältere Christa, die von ihrem 20 Jahre zurück liegenden Mythos als Muse Warhols und Ikone der Velvet Undergrounds gleichermaßen zehrt und verzehrt wird, hat  – neben dem Heroin-Besteck – immer ein Aufnahmegerät dabei. Sie sammelt Geräusche und später im Film wird sie bekennen: Sie sucht nach diesem einen Sound, dem Sound der Niederlage, den das Kind vor den Toren von Berlin hörte. Der Film zeigt nicht, wie Christa aufwuchs im zerbombten Deutschland, wie sie als Model entdeckt wurde und nach New York kam. Christa Päffgen erfindet sich später Vergangenheiten und sucht doch immer nach diesem einen „echten“ Geräusch ihrer Kindheit, sie lauscht auf dessen Widerhall, den Widerhall des Schreckens und der Wirklichkeit. Diese Suche ist eingeschrieben in ihren Songs und es ist eine Suche, die sie mit vielen ihrer Generation teilt, die wie sie in ungeheurer Beschleunigung auftauchten aus dem totalen Zusammenbruch in eine fremde und völlig veränderte Welt, der sie sich nur anverwandeln konnten, indem sie sich vergaßen.

Christa Päffgens Weg ist extrem und verantwortungslos. In verhuschten Rückblenden, die den Originalfilmschnipseln aus Warhols Factory angeglichen sind, wird gezeigt, wie sie ihren kleinen Sohn mit auf Partys nimmt, wo er sich unbeobachtet betrinkt. In einem Interview erfährt man, dass Christas Sohn bei seiner Großmutter in Frankreich aufgewachsen ist, nachdem er der drogenabhängigen Mutter weggenommen wurde.

In Nicchiarellis Film folgt man Nico/Christa in ihrem letzten Lebensjahr auf einer chaotischen Tour mit einer zusammen gewürfelten Band durch den Kontinent. Der Manager, der in sie verliebt ist, hilft ihr dabei, den Kontakt zu ihrem Sohn wieder aufzunehmen, in der zweiten Hälfte begleitet der junge Ari seine Mutter und ihre Band auf dieser Tour. Ari begeht zum wiederholten Male einen Selbstmordversuch, seine Mutter hält den blutenden Jungen im Arm, aber im Krankenhaus, nach seiner Stabilisation, versucht sie die Geräusche des Messgerätes neben seinem Bett einzufangen.

Trine Dryholm spielt und singt die Rolle der Nico ungeheuer intensiv und glaubwürdig. Die ganze Ambivalenz der Figur wird durch Dryholms Darstellung sichtbar gemacht: ihre Zartheit und Kläglichkeit, ihre Angst und ihr Stolz, ihre Verantwortungslosigkeit und ihre Wut.

Nico, 1988 ist ein sehenswerter Film, nicht nur für jene, die ein nostaligisches Verhältnis zu dieser Zeit und dieser Musik haben, sondern auch für alle, die sich für  weibliche Perspektiven interessieren und für alle, die das (oder ein) Leben im Film nicht erklärt oder verklärt haben wollen, sondern gezeigt.

Ich war beim großartigsten Konzert aller Zeiten; ich habe NICO gesehen! Kennst Du sie? Sie war ein deutsches Top-Fotomodell; Femme Fatale in den 60ern. Sie singt auf dem ersten Album von THE VELVET UNDERGROUND. Ich glaube, dass ich Dir schon in Berlin von ihr erzählt habe, aber trotzdem noch einmal: Andy Warhol hat die Band organisiert, Lou Reed + John Cale + zwei nicht ganz so bedeutende Musiker (von denen ich nichts mehr gehört habe) + NICO. Nico hat mit Reed, Cale, Bowie, Jackson Brown gespielt. Ich kannte vor dem Konzert das Velvet Album und einige ihrer eigenen Platten und ich dachte, ich würde eine starke, selbstbewusste Frau sehen, aber es war ganz anders: Sie ist ungefähr 40 Jahre alt und Du merkst, dass das Alter anfängt, ihr Sorgen zu machen. Sie wirkte total unglücklich auf mich und dann wuchs sie auf der Bühne und man spürte, wie sie ALLES wusste in ihrem Schmerz: Eine Göttin, die bitter und still auf eine Welt schaut, die sich einfach nicht ändert. Es gab einen Moment, Emmi, da dachte ich sogar, diese alte Frau könnte mich brauchen…“

aus: Jutta Pivecka: Punk Pygmalion. Roman in Briefen, 2014

Alban Nikolai Herbst, sein plötzlich anwesender Namensvetter, die durch Lektüre grandioser Werke vorgegebene Fallhöhe, die man aber erst einmal erreichen muss, sowie das eigene Weiterschreiben

 

Alban Nikolai Herbst, vom Leiter des Internationalen Literaturfestivals Ulrich Schreiber süffisant als Nikolai Alban Herbst vorgestellt, worauf der Gemeinte lächelnd korrigierte in Alban Nikolai Herbst, bemerkte bei seiner Werkschau im Rahmen des Festivals am 9. September diesen Jahres 2018 im Literaturhaus Fasanenenstraße gleich mehrfach, man könne im eigenen Schreiben nicht mehr zurück hinter das gelesene Grandiose, er verwies unter anderem auf Alfred Döblins tatsächlich herausragenden Roman Wallenstein (1920). Stimmt das so Gesagte, was wohl jeder Schriftsteller und jede Schriftstellerin von Anspruch aus eigener Erfahrung weiß, so habe ich seit jeher, möchte man meinen, manche „Lektürefehler“ begangen (schließlich setzt man sich unter immensen Druck und programmiert sein Scheitern schon vor), zuletzt Hans Henny Jahnns Fluß ohne Ufer (1949/50) und nun dessen Perrudja (1929), zuvor E.T.A. Hoffmann, Jean Paul, Edgar Allan Poe, Stifter, Dostojewski, Kierkegaard, Kafka, Robert Walser, Döblin, Joyce, Beckett, Musil, Laxness, Hamsun, Bulgakow, O’Brien und so weiter (fürwahr alles Männer, aber wen wundert’s*). In jedem Fall müsste ich Schlag auf Fall mit dem Schreiben aufhören … hiermit, liebe verstreute Leserschaft, verkünde ich kraft meiner Wassersuppe … ach was! Michael Lentz schreibt: „Tradition ist, wenn man trotzdem weitermacht. Trotz Kafka, Schmidt und Robert Walser mache ich weiter. Thomas Mann hindert mich am Weiterschreiben nicht.“ Und auch das, was die bürgerliche Welt als Misserfolg klassifiziert, den nämlich (noch) nicht veröffentlichten Roman, als Beispiel möge Ankerlichten dienen, hindert wenigstens mich nicht, wiederum einige Jahre dem selbstquälerischen Schreiben zu widmen. Denn irgenwann begann esund irgendwann wird es enden, dazwischen liegt die Spanne, und in der ist dem eigenen Zwang und der eigenen Lust zu folgen, was auch immer daraus entsteht.

So weit und schlüssig, was mal wieder gesagt werden musste, denn da beißt die Maus kein‘ Faden ab.

* Anmerkung dazu, dass eben dies nicht verwunderlich ist, denn mündlich wurde mir einige Kritik an eben diesem Ausspruch mitgeteilt, so etwas könne man heutzutage nicht mehr sagen, wurde gesagt, was aber hieße, sage ich, die Wahrheit nicht mehr sagen zu dürfen, weil sich wer weiß wer gekränkt fühlen könnte, oder angegriffen, missachtet, herabgewürdigt, auf den Schlips getreten, was auch immer, was dann aber zu ähnlichen Auswüchsen von Dummheit führte wie im Falle der immer öfter ins Feld geführten religiösen Gefühle, auf die man besondere Rücksicht zu nehmen habe – als wenn Menschen, die nicht ausgerechnet an Götter glauben, sondern an die Kunst, die Anarchie, die Logik oder die Besonderheit ihres Fußballclubs oder einer Musikband, keine Gefühle hätten. Die Mimosesierung des Menschengeschlechts ist offensichtlich in vollem Gange! Ständig wird das Böse hinter allem vermutet, weil man ja nur selbst recht haben kann – liberales Denken und Handeln ist offenbar nicht mehr zeitgemäß! Ich gebe deswegen zu diesem meinem ganz wörtlich gemeinten Ausspruch zu bedenken: Es handelt sich bei den Genannten um ausschließlich bereits verstorbene Autoren, die in Zeiten wirkten, in welchen es Schriftstellerinnen nicht verwehrt, aber außerordentlich schwer gemacht wurde, zu veröffentlichen. Die Wahrscheinlichkeit veröffentlichter großer Werke von Frauen ist also relativ gering, die nicht veröffentlichter oder gar nicht erst geschriebener großer Werke umso größer. Da, wo ich als junger Mann zu suchen anfing, waren dementsprechend wenig Autorinnen zu finden, zudem ist mir Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, politische Einstellung und sexuelle Orientierung bei der Auswahl meiner Lektüre nie Kriterium gewesen – Texte aus welchen Gründen auch immer nicht lesen zu dürfen oder Texte lesen zu müssen habe ich seit je her abgelehnt, denn ohne Lust kein Lesen, keine Ewigkeit, kein Leben überhaupt! Warum mich nun aber Emily Brontë, Charlotte Brontë, Anna Seghers, Simone de Beauvoir oder Gertrude Stein weniger prägten, entzieht sich dementsprechend naturgemäß meiner Kenntnis. Interesse an Texten wird geweckt, indem Lust entsteht/Punkt/Aus.