Gedicht des Tages – Norbert Scheuer

Die Gedichte der allermeisten Lyriker, die mich beeindrucken, die ich gut finde, die virtuos, reizvoll, innovativ sind, leisten eines meistens nicht: Sie brennen sich nicht ins Gedächtnis ein. Nur ganz wenige Dichter schreiben Verse und finden Bilder, die ich nie vergesse. Norbert Scheuer, Fast-Buchpreisträger aus der Eifel, sandte mir gestern ein solches Gedicht. Ich will mich beileibe nicht mit dem Promi brüsten, aber was Norbert Scheuer mit dem alten Thema „Herz“ anfängt, mehr noch, dass er jemanden in ein lyrisches Herz blicken und dort eine Kaffeemühle und „grüne eingelegte Bohnen“ sehen läßt, finde ich unerhört. Er schreibe nur noch wenige Gedichte, bedauerte Norbert Scheuer in unserer kleinen E-Mail-Korrespondenz. Wenn er in seinem hoffentlich noch langen Leben nur noch eine Handvoll solcher Gedichte schreibt, reicht das. Danke, Norbert Scheuer! Die Verse sind übrigens teilweise zu lang für das Blogprogramm. Das Ende einer Zeile des Druckbildes habe ich deshalb mit dem üblichen „/“ markiert.

Um was es geht

du sagst, dass du in mein Herz sehen kannst, dass du darin/
eine Kaffeemühle siehst und grüne eingelegte Bohnen mit/
Zwiebeln und Kräutern, eine diebische Elster, ein schönes Blau,/
eine Geschichte die doch lange vorüber ist.//

du sagst, wir hätten in dieser Geschichte gelebt, auf dem Land oder/
irgendwo in der Stadt. Und, dass du in meinem Herzen eine/
sommerstaubige Straße gesehen hast, Regen und Menschen, nicht/
anders als wir, du sagst, am Abend hätten wir Geschirr in die/
Spülmaschine gestellt, duftende Teelichter auf den Badewannenrand.//

du sagst, dass es nur darauf ankommt in einer Sekunde glücklich/
gewesen zu sein, du sagst, daran würden wir uns erinnern, egal wo wir/
sind und wer gerade bei uns ist. du sagst, dass ich irgendwann vor/
dir stürbe oder du vor mir, vielleicht in derselben Stadt, nur eine/
Häuserzeile weit voneinander entfernt.

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