Archiv der Kategorie: Ausgabe 04/2009

Fundsache Vogelsang

[DINA4] Wir glauben, dass Gott all=
mächdig ist also, das er alles kann.
Er (konn) [Punkt] kann und will uns
all (desitzen) beschutzen. Aber nur,
dann wenn wir auch es zullassen. []
denn er (res) die Freiheit in (Entsei)
(Entschei) [ze ausgestrichen] Ent=
scheidungen und im Handlen, die er
uns geschenkt hat sehr respektiert.
Das (heist) heißt, das wir uns (imer)
immer [vielleicht Komma] wieder für
das Gute (d) oder für das Böse für
die Allmacht Gottes oder gegen sie,
(d) aber mit allen (Kon) (Konsek) []
Konsequemen entscheiden können.
Gott beschekt uns mit seinen Ge=
boten, die das Mit [DICK] einander
der Menschen regelen (ka) können.

Abenteuertee

Am liebsten mag ich Nahrungsmittel, die unendlich kompliziert angebaut, geerntet, getötet, verarbeitet, verfeinert und gereift werden: Käse, Würste, Dauerfisch, Pemmikan, Wein, Tee, Tabak, Kaffee, Schokolade, Gewürze, komplexe Gerichte wie die südamerikanische Pachamanca, für die man erst einen Erdofen bauen muss, oder Tiere, die ausgenommen und dann umstrukturiert wieder in ihre eigene Haut genäht werden. Delikatessen, auf die man sich stunden-, monate- oder gar jahrelang freuen kann. Es gibt ja auch kaum Essbares, das roh schmeckt, bis auf manche Fleischsorten und Eier.
Endlich, endlich habe ich eine Menschenseele gefunden, die meine Vorliebe für den herben Lapsang Souchong teilt. Es überrascht mich eigentlich wenig, dass diese Seele mein Götterbruder Hermes ist. Alle meine anderen Gäste verschmähen diesen unglaublichsten aller Tees. Er stammt aus den Wuyi-Bergen in der chinesischen Provinz Fujian und wird über Kiefer und Fichte geräuchert, geröstet, gerollt, oxidiert, nochmals auf Bambusrosten oder in Körben geräuchert, dann auf dem Kamelrücken nach Moskau transportiert, manchmal dauert die Reise länger als ein Jahr!, und in all der Zeit nimmt der Tee den Rauch der Wegelagerfeuer unter Steppensternen auf. Weshalb man den Lapsang Souchong auch Russian Caravan nennt. Am üppgisten schmeckt er angeblich aus dem Samowar. Ich gestehe, dass ich ihn allerdings bestenfalls auf meinem Sturmkocher brühe und – das ist nun mal meine ureigene Teekultur – aus dem unverzichtbaren Berghaferl trinke. Lapsang Souchong, das ist eine lange Nacht auf der Hütte, der Ofen russt, Harz tropft in die Glut, man legt Patiencen, führt das Logbuch und wartet, dass der Schneesturm nachlässt. Traut sich nicht aufs Plumpsklo nach dem Erzählen der Gespenstergeschichten. Also die Grundatmosphäre meiner Jugend und hoffentlich auch wieder meines nahenden Alters. Ein Tee wie eine geräucherte Speckseite (manchmal gebe ich Butter hinein, das ist der Gipfel des Genusses).
Die Wahrheit ist auch, dass ich erst von meiner Schwäschwägerin (oder wie nennt man die Frau des Vetters?) aus Japan lernte, was Tee bedeutet; so wie ich ebenfalls erst in der Türkei erfuhr, was Kaffee eigentlich wäre (die Türken haben sich immer sehr gewundert, dass ich auch noch den Kaffeesatz auslöffelte).
Dennoch bleibe ich bei Sturmkocher, Haferl und – das ist nun wirklich barbarisch – beim Teebeutel, letzteres wohl aus Faulheit. Es sind ordinäre Beutel, die man im Supermarkt kaufen kann, aber immerhin die teuerste Marke, soviel Noblesse muss dann doch sein. Immer muss, auch das ist vermutlich kulturlos, ein grosszügiger Gutsch fetter Rahm rein; ohne Fett kann der Darm das Tein (dito für Koffein) nicht absorbieren, dann würde Teetrinken physiologisch gar keinen Sinn ergeben.
Darjeeling, wenn mich der Berggeist ruft und ich mich nach nassen Socken auf einer improvisierten Leine sehne. Earl Grey bei Liebeskummer und kreativen Schüben. Ceylon Orange Pekoe an melancholischen Nachmittagen, Prince of Wales zum Anlocken adliger und beinah reicher Männer (ehrlich, das funktioniert nicht!), Irish Breakfast an hellblauen, bewölkten Sonntagvormittagen; dieser Tee ist so vollmundig, dass man bis zum Abend nichts zu essen braucht.
Aber letztlich: Lapsang Souchong über alles! Der schmeckt, um es etwas überspannt auszudrücken, genau so wie mein eigenes Leben. Geräuchert, gerollt, oxidiert, wieder geräuchert, kamelisiert, samowartet eben.

der kunst

kunst

kurz glaubten wir, ihm heute morgen begegnet zu sein, dem kunst. total ausbalanciert und schwungvoll rollte er an uns vorbei, der schatten allein war schon für sich ein kunstwerk, dazu das surren des leerlaufs, vermischt mit dem fahrtwind und dem leisen quietschen der bremsen, musik und poesie in unseren ohren. dass am himmel dazu die möwen kreischten und in der ferne ein nebelhorn ertönte, macht die begegnung perfekt. flüchtig und nun mit eleganten runden kurbelbewegungen pedalierend entschwand er immer leiser werdend, ein klingeln der fahrradglocke war das letzte, was wir zu hören bekamen.

die festen schritte eines kunstsuchenden brachten uns wieder zurück in den alltag.

Vienna Community Hospital 7 | Fassung

Tags: , , , , , , , , , , , , , , ,

||| AN DER GRENZE | GEGENPOL | EXTENSIV | HINTERLAND | BETON | IM FLUSS | RELATED | KLANGAPPARAT

AN DER GRENZE

AKH_Brunnen_Copyright_Christiane_Zintzen

Man muss ihn kennen , den fast versteckten Weg in jenen kleinen Park , welcher die sogenannten Südgartenkliniken umschliest . Uneinsehbar vom Hochhaus der Neurologie und dem viergeschossigen Querriegel des psychiatrischen Komplexes verdeckt , liegt das schmale Gartenband unmittelbar an der Grenze des 240.000 m² grossen Areals des Allgemeinen Krankenhauses ( AKH ) der Stadt Wien .

|||

GEGENPOL

AKH_Brunnen_Copyright_Christiane_Zintzen

Als Südgarten – ausschliesslich per Durchquerung der Gänge der psychiatirschen Kliniken zu betreten – gibt das mit winterharten , anspruchslosen Sträuchern bepflanzte stille Grün den topographischen und symbolischen Gegenpol zu den Versorgungs- Operatoren im Norden : Dem separaten Ameisenstaat der Zentralapotheke mit all seinen Schleusen und Auslässen für Zulieferung und Verteilung , der fauchenden , rauchenden Energiezentrale , der Krankenhausfeuerwehr sowie den Ver- und Entsorgungstrassen für Lebensmittel , Material , Abfälle .

|||

EXTENSIV

AKH_Brunnen_Copyright_Christiane_Zintzen

Der durchrationalisierten Logistik und intensiven Flächennutzung steht hier ein lediglich extensiv gebrauchter Raum entgegen . Ein unverbauter Geländerest , dessen Schema bereits auf den Baustellenfotografien vom Ende der 1960er Jahre zu erkennen ist . Den heute mächtigen Kastanienbaum zwischen den hinteren Auskragungen der Neurologie und der Westseite der Psychiatrie kann man auf diesen Schwarzweissbildern als sorgsam mit Brettern verschalte Jungpflanze ausmachen .

|||

HINTERLAND

AKH_Brunnen_Copyright_Christiane_Zintzen

Der umzäunte Spielplatz an der Aussenseite der Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters bleibt meist verwaist ; den raren dort spielenden Kindern sind von der anderen – der psychiatrischen – Seite des Parks her in ritueller Regelmässigkeit die Bälle über den niederen Zaun zurück zu werfen . Im Übrigen bleibt man hier ungestört . Einige wenige Patienten nur umrunden das Gebäude der pychiatrischen Kliniken alleine oder im Gespräch , in ihrem langsamen Wandel allenfalls aufgeschreckt durch einen Runde umd Runde im Laufschritt absolvierenden Jugendlichen .

|||

BETON

AKH_Brunnen_Copyright_Christiane_Zintzen

Menschen in Rollstühlen nutzen gerne den ebenen Rundkurs auf Waschbetonplatten . Auch die spartanische Parkmöblierung besteht – charakteristisch für den Beginn der 1970er Jahre – aus Sichtbeton . Parkbänke aus Betongruss , die längst ausgebleichten Sitzflächen aus rohen Brettern . Ein Brunnen , gefasst in Beton , führt sein Wasser über mehrere Stufen , wo es kurz aufschäumt , in einem Auslaufbecken zur Ruhe kommt , um danach aufgefangen und zum Wasserspeier zurückgepumpt zu werden .

|||

IM FLUSS

AKH_Brunnen_Copyright_Christiane_Zintzen

Das bescheidene Wasserspiel , in dessen sich verändernden Oberflächen sich das umgebende Grün und der Himmel wiederspiegeln , zieht unwiderstehlich den Blick auf sich .

AKH_Brunnen_Copyright_Christiane_Zintzen

Im verhaltenen Abseits zu dem nur wenige Meter entfernt lärmenden , augenscheinlichen Chaos der enormen Menschenströme im Haupthaus der Riesenklinik , gibt der basale Brunnen zugleich Bilder von Ruhe und von Bewegung . Stille Stetigkeit des Insichkreisens .

Analogie zur Fassung , Ruhigstellung und Wiedermobilisierung , welche das Hospital an Tausenden Patienten täglich vollzieht . Hin und wieder aber verfängt sich ein welkes Blatt an einer der Überlaufkanten .

AKH_Brunnen_Copyright_Christiane_Zintzen

|||

RELATED

|||

KLANGAPPARAT

Das Innsbrucker Netlabel Autark feiert des Bestehens eben seine zehnte Release mit einer V/A- Edition seiner Künstler . Grund genug , nachczz-hoerempfehlung eineinhalb Jahren zurück zu blicken auf die erste Edition , namhaft bestritten vom Local Hero Hans Platzgumer und Jens Döring . Als hp.stonji liefert das Duo mit Piano Expeditions zwei verschwebende Etüden als elegisches Entrée . Piano , piano gehalten mit leichten elektronischen Verfremdungen .

01. Piano Expeditions I | 02. Piano Expeditions II | [ zip download ] | [ Autark Podcast ]

CLICK LINKS TO LISTEN .

|||

kategorien: foto | grafie, klangapparate, wiener wäsche

sitzen bleiben u.a.

1 sitzen bleiben …

sitzen bleiben
die nicht aufsteh’n
lamento-gebete
„steh auf mein herz“

liegen bleiben
die toten die
spielen „hasch
mich“ mit hand und
herz und fusseln
vorm mund ohn’
alles aufersteh’n
(au! verstehen)

die zypressen
verbeugen sich
„reich mir die hand“
nur daß sie dich
loslassen
wenn sie dann
gerade stehend
dich im schwung
an der hand

über alle berge

2 zeihendes blei der zeit …

zeihendes blei der zeit
bleibendes zwei, das speit
keifend ein : sei! ihr seid
einander weihnachtsge-
schmeid, werbung, dreistigkeit
heimelnd hoch schreiend nach
seim, abgefeimt und : ach!

so hundsgescheit!

3 im kurveninnern …

im kurveninnern
der worte
der nur noch
geringe
bodenkontakt
sogar ein hirsch ist da

räderpaare
und dann und wann
der versuch
das gewicht
der welt

um die ecke
zu bringen

„stationäre
kreisfahrt“

außenlastig
mitten in dem schwunge

wärmendes weiß

für lilly

im weiß der landschaft bin ich schwarz,
ein traumgebor’ner widerpart
der schneeverzeihten winterfahrt,
die fee, der kobold, der sich zart

ergab in aladinsche flasche.
ihr hals ist eng, ihr mund sich weitet,
dass naht ersinnt der nadel masche
und jetzt in zukunft sich verzeitet.

was wär‘, das ist und würde sein.
die zeiten singen sanft ihr lied.
bevor dem schnee ein weiß verblieb,

ging schwärze in die schatten ein.
so sang ich dir die verselein
und bitte dich: nicht mir vergib!

Download MP3 (1,3 MB)