Schlagwort-Archive: Geisteswissenschaft

Inhalt 04/2011

Die Lesezeichen-Ausgabe 04/2011 erschien am 17. Januar 2012.


In dieser Ausgabe:
Verdammt gutes Gras, aus dem Eis geholte Kastanien, die Findesemanas, das Ministerium für Liebe, ein Krebsverdacht, ein Textportrait von Ernst Jandl, die stillen Säulen der Antike, das nächtlich beleuchtete Bayerkreuz über Leverkusen, eine Besichtigung der Luft, verbrannte Kadaver, die Sarabanda de la Muerte Obscura, die Krönung eines Affen zum Dichter, eine Fahrkarte für Derrida, der Dom von Utrecht, ein Sandwich und Dosenbier, zarter Flaum auf dem Handrücken, ein Gewürzsäckchen, Knöllchen von der Sittenpolizey, unzählige Anlegestellen, Billigleister im Schichtdienst, reifefreie Pädagogik, baumfliehende Früchte, Ringo, der Punktraucher uvm.

INHALT:

Die Geisteswissenschaften sind ein Zug

Das Folgende habe ich als Antwort auf einen Kommentar geschrieben, fand es dann aber so lecker, dass ich es noch einmal widerkäue und dabei ein wenig anreichere.

Die Geisteswissenschaften sind ein Zug, der immer in voller Fahrt ist und der niemals anhält, um Studierende oder anderweitig interessierte Reisende aufzunehmen. Es kommt auch kein Schaffner, der einem erklärt, dass die Fahrkarte für Derrida mindestens Freud und Platon und Aristoteles ist. Auch wenn er käme: man sitzt ja gar nicht drin, sondern steht draußen auf dem Bahnhof, der Zug fährt mit 200 Stundenkilometern vorbei und was immer der Schaffner sagt, man versteht kein Wort. Und selbst wenn man es verstünde: in einer einzigen Sekunde ist der Zug schon wieder weg, und man kann mit diesem kleinen Informationspartikel, das man aufgeschnappt hat, nicht viel anfangen. Man steht auf dem Bahnhof und denkt: Derrida ist mir einfach eine Nummer zu schnell und auch zu schnell wieder weg. Wenn man aber das Glück hat, innendrin zu sitzen, dann denkt man bisweilen, wenn man rauschaut: Grandios!

Die Welt da draußen, die ist, wenn man mit dem Zug durchfährt, nicht weg. Die Welt ändert sich nur ein wenig. Deswegen fährt man ja mit dem Zug. Nicht weil man irgendwohin will, sondern weil die Welt sich ändern soll! Weg geht sie davon nicht. Weg sind nur die Bahnhöfe und Haltepunkte.

Es gibt nur eine Welt, aber sie brauchen zwei Worte um sie zu betreten!

Wenn auch nicht jede Zeile gleich erhellt:
geschehn aus unablässigem Bestreben.
Aléa hat’s hierher gestellt,
und zwar soeben.

Kurztitel & Kontexte bis 2011-12-04

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MICRO | -NOTE | -QUOTE : Wie sieht es aus , das “digitale Scheiben” , Herr Chervel ?

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czz-micro-note-quote-sourcne-aiga-airport-pictos-copyright-free-||| Thierry Chervel , Mitgründer und Chefredakteur des Meta- Feuilleton- Online- Magazins “Perlentaucher” zur Unterscheidung von journalistischen Inhalten im Netz im Gegensatz zu Formen ( indvduellen bzw. kollektiven ) “Digitalen Scheibens” :

Die Zukunft ist ja längst angebrochen. Das Netz hat Formen von Text hervorgebracht, die ohne es nicht existieren könnten, zum Beispiel das Blog und das Wiki, also eine extrem individualistische und eine extrem kollektive Art des Schreibens. Diese Formen können Funktionen des Journalismus wie die der Kritik oder der Information übernehmen, ohne Journalismus zu sein. Wer nach der Zukunft des Journalismus fragt, ist also gezwungen über diese Formen des digitalen Schreibens nachzudenken, die ihn untergraben, vielleicht sogar ersetzen könnten. ( … )

Wikipedia-Artikel sind Texte, die atmen, wachsen und innerlich grollen. Sie haben sicherlich nicht immer in der Realität, aber der Möglichkeit und dem Anspruch nach, den gleichen Willen zu Wahrhaftigkeit und Aktualität wie Journalismus. Sie greifen journalistische Information auf. Aber sie sind kein Journalismus. So wie sie, schon wegen ihres Echtzeit- und stets offenen Charakters auch keine Artikel einer Enzyklopädie sind. Und doch haben sie sich an die Stelle der Enzyklopädien gesetzt.

Auch das Blog stellt journalistisches Selbstverständnis zutiefst in Frage – hierüber ist oft diskutiert worden. Wie radikal anders das Blog ist, zeigt der Vergleich mit einem ebenfalls extrem subjektiven Genre des Journalismus, der Kritik: Kritiker waren daran gewöhnt, das letzte Wort zu sprechen. Danach diskutierte allenfalls noch das Publikum im privaten Rahmen. Anders als bei jedem anderen Genre hatte das Objekt der Kritik stillzuhalten. Ein Blog wie Nachtkritik.de zeigt, dass sich diese richter- oder priesterähnliche Position in der Verwaltung der Kunstwahrheit nicht halten lässt: Hier können die Kritisierten zurückschlagen. So krude, unfertig, halb bedacht Blogbeiträge oft sein mögen – durch die Kommentarmöglichkeit und den Hyperlink ist ein Blog doch immer ein Dialog, mit den Lesern, mit anderen Blogs oder Medien, und mit den Kritisierten.

Für die Debatte gilt das gleiche. Am jüngsten Streit über den Islam könnten Medienwissenschaftler wunderbar die unterschiedlichen Argumentationsstrategien der unterschiedlichen Medien studieren. Verkürzt könnte man es so ausdrücken: In den Zeitungen redete man über die Gegner, im Netz redet man mit ihnen. Deutlich wurde es in den Artikeln, in denen sich Thomas Steinfeld (hier) oder Claudius Seidl nach der ersten Runde der Debatte gegen Kritik verteidigen, häufig ohne die Adressen der sie kritisierenden Artikel (etwa hier im Perlentaucher) anzugeben. Im Netz verlinkt man zu den Artikeln, auf die man antwortet, im Journalismus teilt man die Information über die Gegner in Portiönchen aus. Und auch wenn es an Journalismushochschulen als ungehörig gelehrt wird, verzichten Journalisten häufig auf die Nennung von Quellen. Darauf basierte ja ein Teil ihrer Macht, solange die Öffentlichkeit die Filter der Medien brauchte: Was sie nicht nannten, existierte eigentlich nicht. Das SZ-Feuilleton zum Beispiel ließ in der Islamdebatte keinen einzigen Beitrag zu, der Steinfeld widersprach. Keiner der von Steinfeld Attackierten durfte antworten. Es galt nur Steinfelds Version ihrer Ideen. Das ist das Pfäffische am klassischen Journalismus, der selbst entscheiden will, was die Schäfchen wissen dürfen. Die Leser der SZ kennen dadurch allerdings nur einen Ausschnitt aus der Debatte. Im Blog kann der Blogger natürlich kritische Kommentare entfernen, aber auf die Dauer macht das sein Blog steril. Es geht nicht ohne Diskussion.

Wenn die Zeitungen sich nun einfach weiter für Zahlschranken entscheiden (die ja bei er FAZ oder der SZ nie abgeschafft wurden), schneiden sie sich auch von Möglichkeiten ab, die Text bietet, und von Erwartungen, die legitimer Weise an Text gerichtet werden. Sie konservieren, für ein Weilchen, die alte Welt in der neuen. Der Zeitungsartikel ist hermetisch, der Blogbeitrag porös, die Kritik ist rund (oder spitz), der Blogbeitrag fragmentarisch. ( … )

Verlagen und Autoren steht die schwierigste, aber auch aufregendste Zeit seit Erfindung des Buchdrucks bevor. Ist ein Buch, das nicht in Gestalt eines Buchs erscheint, überhaupt ein Buch? Jürgen Neffe träumt von “undruckbaren Büchern”, die nur in digitaler Form existieren können und neue Formen der Erzählung und Darstellung ausprobieren. Ist die Entscheidung eines heutigen Autors, einen Roman im klassischen Sinne zu schreiben, bereits so etwas wie die Entscheidung eines Oulipo-Autors, ein Gedicht ohne den Buchstaben “e” zu schreiben, eine willkürliche, selbstauferlegte Regel und geistige Askese? Wird das Genre des Romans außerhalb des Gegenstands zwischen Buchdeckeln überleben?

Das Buch verschwindet von seinen Rändern her, oder genauer: Es löst sich auf in den neuen Aggregatzustand der Zeichen wie Eisschollen im Klimawandel. Bestimmte Formen sind obsolet geworden: Die Wikipedia ersetzt den Brockhaus. Wozu noch Loseblattsammlungen? Reiseführer lassen sich in digitalisierter Form viel besser aktualisieren – und mit Leserkommentaren versehen. Naturwissenschaftliche Erkenntnis wird nicht mehr in Büchern verbreitet, sondern in Zeitschriftenartikeln – und diese Artikel sind in Wirklichkeit Dateien in Onlinedatenbanken, die man durch supermassive Bezahlschranken abschottet, sofern sie nicht open access sind. In den Geisteswissenschaften könnte eine ähnliche Entwicklung bevorstehen – der “Heidelberger Appell” war die Immunreaktion der traditionellen Akteure gegen das Kommende.

Nur das ans breite Publikum gerichtete Sachbuch und die Literatur stehen scheinbar unangefochten da. Jahr für Jahr werden neue Romane veröffentlicht, unsterbliche Meisterwerke darunter wie Roberto Bolanos2666” oder David Foster Wallace’ “Unendlicher Spaß“. Nur wenige Schriftsteller scheinen sich für die neuen Formen von Text und Schreiben zu interessieren, die im Netz entstanden sind. Kaum einer führt ein Blog, wo er skizzieren und experimentieren und nebenbei auf neue Art mit seinem Publikum diskutieren könnte. Manche Autoren lassen sich mit ihrer Schreibmaschine filmen.

Aber auch der Roman ist nichts Ewiges. Er ist entstanden durch den Buchdruck und die Existenz eines breiteren Publikums, das lesen konnte. Damals galt er als das ganze Neue und Verdächtige. Seine Sprache war ungebunden – also lose. Anders als Versepen deklamierte man ihn nicht in Gesellschaft, sondern las ihn in seiner Kammer. Der Rahmen fehlte. Der Roman, das waren Bücher, die man “mit einer Hand” las. Pastoren und Professoren rieten besonders den Mädchen und Frauen ab. Das Autoerotische am Genre war zutiefst verdächtig, die entfesselte Imagination in einer Sprache, die sich durch ihren Prosacharakter selbst zum Verschwinden brachte. Wo ist der Halt, die Kontrolle? Der Roman zermanschte das Gehirn!

Hm, vielleicht sollte man das Genre mit den neuen Mitteln neu ausprobieren?

|||

Der Ruf nach der Entwicklung von neuen Formen “digitalen Schreibens” , wie es aus Chervels “Ententeich” erklingt , ist fraglos äusserst berechtigt . Nicht ganz legitim will uns das rhetorische Zusammenrühren ( und heimlich wieder Auseinandernehmen ) der Kategorien “Journalismus” , “avancierte Romankunst” , von “unpaid” ( Blogs , Wikis ) zu “paid content” ( Zukunftshoffnung der Zeitungen ) erscheinen . Für Jemanden , der nicht nur die Kurzreferaate sämtlicher Rezensionen der deutschen Qualitätspresse an den Online- Buchhändler libri.dev verkauft , sondern auch die gesamte “Feuilletonrundschau” an Spiegel Online verscherbelt , wird hier aus dem Glashaus ganz schön heftig mit Steinen geworfen . Belastbare Modelle des “digitalen Schreibens” finden sich “Im Ententeich” jedenfalls nicht .

|||

Update : Zum 10jährigen Bestehen des “Perlentauchers” befragt , definiert Chevrel  dessen zentrale Tätigkeitwie folgt :

Wie würden Sie den Perlentaucher beschreiben? Was machen Sie konkret?

Der moderne Begriff ist “händisch aggregieren”. Wir machen Presseschau. Wir verlinken und verweisen auf interessante Inhalte im Netz. Zum anderen sind wir publizistisch zunehmend zu einer eigenständigen Stimme geworden.

MEEDIA- Interview mit Chefredakteur Chervel : “Currywurst-Bude” Perlentaucher ( Meedia , 15. 3. 1010 )

|||

czz / hab (1)

Am 1. Juli 2008 10:53 schrieb czz:

trotz mehrmaliger anläufe , werter hab , haben wir das labyrinth mit doi- formen noch nicht durchdrungen , die kategorisierungen und deren eingabe sind doch recht aufwändig , und erst gestern hat sich mein hilfreicher kollege fürchterlich in den codes und formeln „aufgehängt“ : sozusagen „lost in transmission“ – NOT LOST ist und bleibt , dessen seien sie freundlichst versichert , Ihre erkundigung – indes wird an einem weiteren erfahrungsbericht- bericht über die doi-sierung gebastelt – wie sind Sie mit dem ver / lauf der schönen litblogs zufrieden ? ( und czz immer ein wenig in der krise wenn es ums sog. „beste“ für das digestium florilegium geht )

( und schon stolz über die wackere performanz der werten zehn zeilen – autorin )

bitte höflich schon jetzt die umstellung der e – mail adresse auf endgültig (…) notieren zu wollen jetzt wirft auch die uni ihre lektoren raus aus ihrem system und ein abschied ist’s doch –

sehr herzlich aus dem wieder EM- freien wien , wo dafür pünktlich sommerlich die strassenbauarbeiten einsetzen –
czz

Am 1. Juli 2008 11:39 schrieb hab:

liebe czz
herzlichen dank für die info. möglicherweise haben sie dann gar nicht den aufruf zu „lesezeichen 2″ bekommen? ich schick ihn auch mal an die neue adresse.

ich hoffe nicht, sie sind opfer geworden eines geisteswissenschaftlichen sparzwangs aufgrund einer weiteren bolognaisierung der welt. (habe gerade liessmanns „theorie der unbildung“ gelesen & fühl mich auch schon seit längerem im kreuzfeuer dieses denkens). hoffe aber, sie behalten da irgendwie anschluss. anschluss sowieso. denke ich da nur an inadäquat. eine wirklich feine mixture, die ich immer gerne an kühlen abenden …

zum doi. auch da dank für die weiteren infos. ich beobachte das weiter. dieses, wie auch andere massnahmen zur erfassung/verwertung von digitalen inhalten (zb. metis) habe ich gerade ein bisschen (für mich) abgehakt. alles noch zu unkomfortabel. hoffe aber, dass sich das mit der zeit ausgeht und dass es da weitere kämpferinnen wie sie gibt, die da dieses neuland betreten.

ich habe mich ja nun entschlossen die (…) (ironischerweise) mit eines isbn antanzen zu lassen. das ganze auch mit cc-lizenz und auch (ironischerweise) auf den servern der deutschen nationalbibliothek. das ganze hat nun seinen ort gefunden (…). wenn sie mögen, können sie auch hier wieder die preview (die allerdings nicht mehr sehr verändert werden wird) einsehen:

(…)

zu den litblogs: im grossen und ganzen sind wir zufrieden, auch wenn wir denken, da könnte mehr gehen. ein teil der autorInnenschaft ist da engagiert, ein anderer da eher etwas stoisch. wir arbeiten da weiter dran. schön wärs, wenns da mal rezept/nsionsmässig etwas voranginge. mal hier, mal da ne kleinigkeit. aber noch nicht der grosse wurf. vielleicht, wenns heisser wird: was für die gurkenzeit?

und ja: (…) (auch wenn sie nicht so ganz in meinem textgenre schreibt) hab ich ja schon die daumen gedrückt. je nun …

nun aber:
herzliche grüsse
ihr
hab